Heimatkunde
icon.crdate21.04.2021
Zum historischen Ortskern von Zaisersweiher - Teil 1
Zum historischen Ortskern von Zaisersweiher - Teil 1
Der historische Ortskern von Zaisersweiher ist hinsichtlich seiner unregelmäßigen Form ein Haufendorf, das aus der Zusammenlegung von einzelnen Gehöften entstand,
deren Häuserfronten ursprünglich ungleichmäßig aneinandergereiht wurden. Mittelpunkt des Dorfs war die schutzbietende Wehrkirche, in deren Nähe die Gehöfte angelegt wurden.
Die Kirche St. Johannes
Die Kirche St. Johannes wurde mit dem umliegenden Kirchhof wohl ab 1415 verstärkt gesichert, als König Sigmund die Zisterzienserabtei Maulbronn unter Beteiligung der pfälzischen Schirmherren dazu bevollmächtige, die Befestigung der Kirchhöfe in den zum Kloster gehörenden Orten fortsetzen zu dürfen. In Zaisersweiher waren an den befestigten Kirchhof Gaden angebaut, bei denen es sich um kleine Häuschen, meist mit Kellern versehen, handelte, die als Vorrats- und Fluchthäuser bei Angriffen auf das Dorf dienten. Vergleichbar mit der Wehrkirchenanlage im Nachbarort Lienzingen, die dort noch sehr umfassend erhalten ist. 1773 werden diese Gaden bzw. wird ein Speicherbau im Bereich der Wehrkirchenanlage erwähnt, denn dort befand sich „auff dem Kirchhoff und deren Ring-Mauer nächst an der Kirche von denen ältesten Zeiten her ein zweistökigt Gebäu, worinnen 23 sogenannte Kirch-Kammern oder Gaden befindlich gewesen“. Diese Bauten waren schon damals in keinem guten Zustand mehr.
1627 erhielt der bedeutende Baumeister, Städteplaner, Ingenieur und Kartograph Heinrich Schickhardt den Auftrag, die Kirche umzubauen. Damals wurden die Kirchenfenster vergrößert und zwei zusätzliche eingebaut. Außerdem wurde eine Empore errichtet, das Kirchenschiff und der Chor geweißelt sowie der Kirchturm mit einem neuen Fachwerkaufsatz versehen und dabei um ein weiteres Stockwerk erhöht. Die nächste Bauphase war 1769 notwendig geworden, als das Kirchenschiff neu aufgebaut werden musste, „wobei man Reste eines älteren Turmchors verwendete.“ Ende des 18. Jahrhunderts war der obere Teil des Kirchturms so baufällig, dass er einzustürzen drohte. 1797 wurde schließlich der Umbau des Kirchturms, trotz der damaligen Kriegszeiten für unumgänglich erachtet, da „der größte Schaden und unglück daraus Entstehen könnte“. Um 1800 wurden dann die Umbaumaßnahmen angegangen. Mit einer aus Holz gebauten, achteckigen Glockenstube und einem entsprechend kantigen Glockendach wurde der Turm nun versehen, um seine Architektonik dem barocken Neubau des Kirchenschiffs anzupassen.
Die fränkische Hofanlage
Über die fränkische Hofanlage berichtete 1912 der ehemalige Ephorus am Evang. Seminar Maulbronn und Architekturhistoriker Adolf Mettler in einem Aufsatz über „Die alten Holzhäuser im Oberamt Maulbronn“:
„Die H o f a n l a g e ist im ganzen Oberamt die fränkische, d. h. Wohnung, Stallungen, Scheuer bilden besondere Gebäude, die im Viereck zusammenstehen, während die sächsische und die alemannische Bauart alles unter ein Dach zusammenlegt. […] Eine beliebte Anordnung der Gebäude eines Hofes in hiesiger Gegend ist die: Das Wohnhaus steht so, daß es der Straße den Giebel, dem Hofraum eine Traufseite zuwendet. Dem Wohnhaus gegenüber, gleichlaufend mit ihm, liegt ein kleineres, längliches, den Geflügelstall, die Holzlege, die Waschküche u. a. enthaltendes Gebäude; zwischen beiden der offene Zugang zum Hof. Nach rückwärts folgen die Stallungen, Pferde- und Viehstall bisweilen getrennt, hinten steht quer herüber die Scheuer, das Ganze abschließend. Dergestalt angelegte Gehöfte nehmen einen ziemlich breiten Raum an der Straße ein. Wo dieser gespart wird, stehen die Wohnhäuser dichter zusammen, oft 2 Nachbarhäuser mit gemeinsamem Hofeingang, und die Wirtschaftsgebäude sind alle nach hinten geschoben.“
Ein anschauliches Beispiel für die im Zitat beschriebene Bauweise ist das älteste Wohnhaus in Zaisersweiher, das in der Mühlackerstraße (Nr. 5) steht und mit seinen dazugehörigen Gebäuden der fränkischen Hofanlage entspricht. Es ist ein zweigeschossiger, giebelständiger Fachwerkbau mit Zierständern und geschnitzten Knaggen (kleine Holzstückchen, die als Verstärkung zwischen den Pfosten und dem Rahmholz bzw. dem unteren Querholz angebracht sind). Augenfällig ist der seitlich vorgelagerte Kellerhals mit seinem Rundbogen. Zur Straße hin ist einer der Ecksteine mit den Jahreszahlen 1564 und 1702 versehen, wobei es sich bei den Datierungen vermutlich um Jahreszahlen eines Umbaus handelt. Vermutlich ist das Fachwerkhaus mit seinen spätmittelalterlichen Verstrebungsformen mindestens 50 Jahre vor der ersten Datierung von 1564 erbaut worden.
Stadtarchiv Maulbronn, Martin Ehlers
Lesen Sie nächste Woche, wie sich der alte Ortskern weiterentwickelte und daraus die „neue“ alte Mitte um den Gasthof „Krone“ entstand.
Auf diese und viele andere Aspekte geht das von Bürgermeister Andreas Felchle und Stadtarchivar Martin Ehlers herausgegebene „Lesebuch zur Ortsgeschichte“ von Zaisersweiher ein. Obgleich der 450 Seiten umfassende, reich bebilderte Band im Jahr 2000 erschienen ist, behalten die darin beschriebenen Themen nach wie vor ihre Aktualität.
Martin Ehlers / Andreas Felchle (Hrsg.): Zaisersweiher – Ein Lesebuch zur Ortsgeschichte (fester Einband mit Lesebändchen), Preis € 26.-
Im Rathaus und im Buchhandel erhältlich.